Das war ein sehr schöner Abend gestern mit den Toten Hosen bei uns im Rhein-Energie-Stadion. Ein paar neue Lieder wurden gespielt („Alle sagen das“, von dem ich einen Dauerohrwurm hab, kam zum Glück direkt am Anfang) und bei einer 40jährigen Jubiläumstour natürlich ein Mix aus vielen Hits. Es ist schon irre, dass mich die Lieder schon von Kindheit an begleiten, „Schönen Gruß und Auf Wiedersehen“ war zum Beispiel das Rausschmiss-Lied, wenn der Zeitslot fürs Eislaufen endete. Ich bin in Düsseldorf aufgewachsen, in einer recht wohlhabenden Stadt, da aber in einem Viertel, das damals eine „No-Go-Zone“ war. Was im Nachhinein betrachtet unglaublich absurd ist, die Verkehrsanbindung per Auto und Öffis war exzellent, es gab eine Fußgängerzone mit diversen Geschäften, auch Karstadt, der Rhein war vor der Haustür, im Mai gab es eine große Stadtteil-Kirmes und öfters kam der Zirkus auf den Schützenplatz, das Viertel hatte die größte Stadtteilbibliothek und sehr viele Grünflächen und Parks. Aber da wohnten seit den 90ern viele Migranten. Generell hatten alle migrantisch geprägten Stadtteile einen schlechten Ruf, wie in jeder Stadt. In einem bin ich in der Oberstufe zur Schule gegangen (die als „linke Schule“ galt und „aus dir wird nichts, wenn du da dein Abi machst“). Von der Schule aus habe ich Kurse bei einem von Althippies geführten Verein gemacht, in einem Viertel, das als „rotes Nest“ galt. Eine Zeitlang habe ich in Flingern gelebt, nur einige Meter entfernt von den ehemaligen Standpunkten der Band. Flingern und auch das „rote Nest“ sind heute übrigens gentrifiziert, teuer und hip.
Angst hatte ich nur vor Neona*is und bürgerlichen Deutschen, die zwar keine offensiven Täter waren, aber gerne wegschauten. Unser jahrelanger CDU-Bürgermeister war Migranten gegenüber alles andere als wohlgesonnen, ich erinnere mich gut daran, wie er jahrelang versuchte den für uns wichtigen Fern-„Busbahnhof“ (3 Haltestellenschilder in Bauschutt und Dreck) vom Hauptbahnhof in die Pampa zu verlegen, wo man mit Öffis nicht hingekommen wäre. Gefühlt war in Düsseldorf der einzige, der sich gegen „König Erwin“ und vor allem gegen die braune Pest aussprach dieser Kerl mit Stachelfrisur, der wie das rosa-weiße Bonbon Campino hieß. Schon als ich klein war, war die Band sehr populär in Düsseldorf, was ein angenehmer Gegenpol zum rechts-konservativen, spießig-reichen Bürgertum der Stadt war. Ja, Spaß und Gegrölle gibt es auch viel mit der Band, was oft shady Leute anzieht, die dann vermutlich gerade auf Klo sind, wenn Willkommen in Deutschland oder Sascha gespielt wird. 1993 wurde die Band wegen Sascha, einer Reaktion auf die Ausschreitungen in Rostock, anonym bedroht und von den Republikanern verklagt. Der Vorwurf lautete „Volksverhetzung“. The irony.
So, das musste alles dringend raus, ich rolle regelmäßig mit den Augen, wenn Leute auf Twitter die Toten Hosen als apolitische Spaßband bezeichnen, weil die Band mein ganzes politisches Leben geprägt und indirekt unterstützt hat. Aber genug gesagt. Ich freue mich aufs nächste Konzert und sage schönen Gruß und auf Wiedersehen.